Über Kanäle nach Hause - Teil 2

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In der Morgendämmerung geht es weiter...

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Wie immer dick eingepackt nach dem Zwiebelprinzip ;-)

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Um halb Acht startet der Außenborder beim zweiten Zug mit weißem Qualm. Bei 2°C tuckere ich langsam auf die Elde hinaus und erreiche um 9 Uhr die erste Schleuse.

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Tisch raus, Frühstück her, Autopilot an und dann wirds gemütlich - bei 5 Grad! ;-). Im laufe des Tages durchfahre ich bei schönstem Sonnenschein Neustadt-Glewe, Grabow, Eldena und erreiche um 16 Uhr meine vorletzte Schleuse bei Neu Kaliß. Obwohl ich hier nur 2 m hinunter muss, ist diese Schleuse die Schlimmste.

...die Automatikschleuse!

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Es dauert ewig, bis die Automatikschleuse die Kammer gefüllt hat und mich einfahren lässt. Dabei will ich an diesem Tag unbedingt noch durch die Schleuse Dömitz kommen! Tatsächlich erreiche ich das "Tor zur Elbe" um 16.45 Uhr. Ich lege an einem Steg an und laufe zum Schleusenwärter. Der kommt mir schon entgegen und stellt mir auf meine Frage, ob er mich noch hinunterschleust eine Gegenfrage: "Was bedeutet einmal rot?" - "Äh, geschlossen?" - "Schleusung wird vorbereitet! Solltest mal wieder einen Blick in die Bücher werfen!". Da hat er wohl recht...

Am Abend liege ich beim Dömitzer-Motor-Yacht-Verein. In meiner Beschreibung ist der Hafen ausgeschrieben mit sanitären Anlagen und Tankstelle in der Stadt. In der Tat gibt es sanitäre Anlagen, wenn auch 250m entfernt in Form von einem öffentlichem Pissoir!

Endlich - der erste "Hafen" der Elbe!

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Der beschriebene Schwimmsteg entpuppt sich als aus alten Schwimmpondons zusammengezimmerter Anleger, an dem ich mir am nächsten Morgen beim Auslaufen einen langer Kratzer in die Bordwand ziehe. Trotz sechs Fendern!

Am selben Abend mache ich noch einen langen Spaziergang, der mich auf der Suche nach einer Elbekarte und einer Tankstelle durch ganz Dömitz und über die Elbdeiche führt. Die Tankstelle finde ich in 2 km Entfernung zum Boot. Auch einen Supermarkt finde ich und kaufe mir 9 Liter stilles Wasser um meine Wasservorräte zu ergänzen. Der Wassertank ist inzwischen leer.

Den ganzen Abend freue ich mich schon auf eine Dose mit Eintopf, die ich mir im Supermarkt gekauft habe. Als sie dann vor mir steht, denke ich an einen Dosenöffner... Natürlich ist keiner an Bord! Mein Seglermesser in das Blech gerammt tut aber den selben Dienst...

Der nächste Tag beginnt mit Frühsport. Der einzige Sport beim Motorbootfahren ist, wie ich feststelle, das Kanisterschleppen. Ich schleppe in 2 Gängen 35 Liter Super zum Boot und bin danach völlig fertig. Da sich der Hafenmeister nicht blicken lassen hat und außer dem Steg auch kein Vereinsgelände zu finden ist, lege ich gegen 10 Uhr einfach ab und steuere auf die Elbe hinaus.

Die Elbe: ein breiter Fluss und nach den engen Kanälen ein Stück Freiheit!

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Endlich - der erste "Hafen" der Elbe!

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Die schiebt mich ganz schön von hinten! Die Logge misst eine Fahrt von 5,5 Knoten durchs Wasser, das GPS eine Fahrt von 7,5 Knoten über Grund! Ich werde also mit 2 Knoten geschoben!

Schnell habe ich die 65 km bis Lauenburg hinter mich gebracht. Unterwegs dorthin habe ich viel Zeit an Deck aufzuräumen, Radio zu hören, die schöne Landschaft an der Elbe zu sehen und mit Brötchen von der Tankstelle zu frühstücken. Gleich hinter Lauenburg biege ich nach links ab in den Elbe-Seiten-Kanal und erreiche um 17Uhr nach weiteren 10 km das Schiffshebewerk Scharnebeck. Ich melde mich über die Gegensprechanlage an und warte. Erst um 19 Uhr ertönt die Durchsage: "An das Sportboot, an das Sportboot: Einfahrt als zweites Boot nach dem Tanker!"

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Lauenburg an der Elbe und das Schiffshebewerk Scharnebeck - ein riiiiiesiger Fahrstuhl!

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Kaum habe ich hinter dem 85m Tanker festgemacht, da geht es auch schon 36 Meter in die Höhe. In der Ferne kann ich das hell erleuchtete Lauenburg erkennen. Als der Tanker aus der Kammer hinausfährt muss ich mich gut festhalten. Durch die Strömung seiner Schrauben zeigt meine Logge 2,5 Knoten an.

Warten auf die Schleusung - ich habe ja Zeit! :-)

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Im Dunkeln fahre ich hinter ihm her hinaus auf den Kanal, mitten zwischen 10 Tankern. Und ich ohne Positionsleuchten! Die sind auf dem Mast geblieben und meiner 2-Farbenlaterne am Bug fehlt eine neue Birne. Ich suche mir in irgendeiner Ecke einen Platz an der Spundwand und vertäue die Shark wie in einem Spinnennetz. Dann gehe ich schlafen.

Am Samstagmorgen sind alle Schiffe weg. Sie sind alle in der Nacht durch das Hebewerk gefahren. Um halb 8 gehen bei 1°C die Leinen los. Diese Nacht war die kälteste Nacht der ganzen Fahrt. Ich schlafe zwar schon seit Tagen mit Schlafsack, 2 Decken und Mütze bei ca. 2°C am Morgen in der Kajüte, habe aber letzte Nacht besonders gebibbert. Auch jetzt mit meinen drei Hosen, 2 Vliespullovern, 2 Mützen , einer Winterjacke und komplettem Hochseeölzeug darüber ist es nicht besser geworden. Das Teakholz im Cockpit ist von einer dünnen Eisschicht überzogen.

Bis um elf Uhr steigt die Temperatur nicht über 3°C. Mit den Händen und der Autopiloten-Fernbedienung in der Vliesgefütterten Tasche tuckere ich den Kanal hoch und erreiche um 12 Uhr Uelzen. Nach einer Stunde Wartezeit geht es wieder hinter einem Tanker in die Schleuse. Als ich in die Kammer einfahre gibt dieser Gas und ich werde wie ein Spielzeug gegen die Wand der Schleusenkammer geworfen. Dank der 5 Fender auf jeder Seite geht aber nichts kaputt.

Als das GPS nur noch 30 sm Luftlinie bis Wolfsburg zeigt, bekomme ich Hoffnung es noch am selben Tag nach Hause zu schaffen.

Bei dem Gedanken an eine weitere Nacht in dieser Kälte will ich nur noch Zuhause ankommen und sage ein geplantes Treffen mit Freunden in Uelzen ab. Jetzt geht's in einem Zug bis Wolfsburg durch! Es wäre mir sowieso peinlich gewesen mich mit ihnen zu treffen, da ich nach einer Woche ohne richtige Wäsche, seit Tagen Wasserrationierung und seit gestern Wassermangel einen eigenartigen Geruch an mir habe... Für das Zähneputzen ist mir nur noch Apfelschorle und Cola geblieben.

Gegen 16 Uhr bin ich nur noch 40 Km vor Wolfsburg und stelle fest, dass mir etwa fünf Liter Benzin fehlen. Ich rufe Zuhause an. Bei Km 30 vor Wolfsburg wollen mich meine Eltern mit einem Kanister erwarten. Um 17 Uhr erreiche ich sie. Manfred hat eine Kanne Tee mit! Ich bin außer mir vor Freude! Nach Tagen mit Wassermangel und dadurch mit kalten Getränken endlich ein Tee! Und Kuchen! Ich fahre mit dem Bug an die Böschung damit er aufspringen kann. Er hat auch eine Positionslaterne dabei, die wir auf dem Kajütaufbau aufstellen.

Mit Vollgas und 6,5 Knoten geht es weiter. Nach einer kleinen Irrfahrt im Dunkeln und nur mit Hilfe einer Taschenlampe erreichen wir um 22 Uhr den Yachthafen des YCHF bei Calberlah. Das ist das erste Mal, dass unser Boot in seinem Heimathafen liegt. Nach 350 km Kanalfahrt bin ich endlich zuhause. Eigentlich ist es schade. Ich überlege, die letzte Nacht an Bord zu verbringen, fahre aber doch mit nach Hause. Dort habe ich eine Menge zu erzählen! Es dauert eine Weile, bis ich mich wieder an die geheizte Wohnung gewöhnt habe. Stundenlang habe ich ein ganz rotes Gesicht.

In meinem warmen Bett ziehe ich dann ein Resumee:

6 Tage, 100 Liter Benzin, 191 sm, 354 km, 18 Schleusen, 1 Schiffshebewerk sind die Zahlen, die mir durch den Kopf gehen.

Eine Woche Kälte, Motorbrummen, Anstrengung und Einsamkeit, eine Woche schöne Erlebnisse, fast nur Sonne, tolle Landschaften, Natur, nette Schleusenwärter und viele neue Sichtweisen. Alles in allem: eine wunderschöne Fahrt, auch für Segler, die mich jedoch durch die Kälte manchmal an meine Grenzen geführt hat.

Eine Fahrt, die ich auf jeden Fall wiederholen werde.