Lieber Leser,
das Internet ist hier unglaublich teuer (15 US$ die Stunde) und unheimlich weit weg vom Ankerplatz, daher nur ganz kurz:
Ich bin seit Samstagabend auf Caicos-Island und liege an der Südküste von Provideciales vor Anker. Eigentlich wollte ich ja in einem Zug durch bis Exuma auf den Bahamas, aber am Samstag kam die Warnung per Satellitentelefon: "Auf dem Nordatlantik braut sich gerade gewaltig was zusammen, der Wind dreht auf Nordwest (gegenan!) und soll bis 8 oder 9 Bft zunehmen, mach schleunigst, dass Du Schutz findest!!!"
Ich hatte natürlich keine Seekarten von den Turks and Caicos Islands, die meinen nächsten Schutz darstellten, dabei aber dennoch nahm ich Kurs darauf und setzte alles, was ich hatte, um noch bei Tageslicht an dem die Insel umspannenden Riff zu sein. Auf meiner Übersichtskarte war keine Passage im Riff eingezeichnet, nur eine Art Becken von meiner Seite aus, aber während ich dennoch darauf zu segelte, setzten meine Familie und Freunde in Deutschland als auch auf St. Lucia alle Hebel in Bewegung. Georg rief sogar von Deutschland aus in Caicos an, die ihm mitteilten, ich solle auf GAR KEINEN FALL die Riffpassage bei Nacht machen. Von Klaus aus St. Lucia bekam ich per Iridium die Koordinaten für die Riffpassage und schaffte es tatsächlich mit dem letzten Tageslicht und "Eyeball-Navigation", was nichts anderes heisst als "Augen ins Wasser" mich durch das flache Becken zu zittern. Obwohl meine Übersichtskarte nicht viel über das Riff hergab, so konnte ich zumindest sehen, dass dort in der Nähe schon einige andere Schiffe gesunken sind...
Im Dunkeln fiel der Anker zwischen ein paar anderen Yachten auf 3 Meter Tiefe und ich todmüde in die Koje. Die knapp 450 Meilen seit St. Thomas (in 6 Tagen) hatten mich ganz schön geschlaucht, weil ich zunächst nur Flaute und dann ein hartes Gegenangebolze ertragen musste, das ganz schön an den Nerven und an den Knochen zerrte, weil die Maverick wie ein Rodeopferd über die Wellen ritt.
Mir fiel ein unheimlicher Stein vom Herzen, als ich endlich vor Anker lag, denn es war wirklich ganz schön haarig, den sicheren Ankerplatz zu erreichen. Hätte ich die Passage nicht beim letzten Tageslicht gefunden, wäre ich nämlich auch nicht mehr aus der Fahrrinne heraus gekommen, weil keine Tonnen zu finden waren und das Fahrwasser ohne Karte so nur bei Tageslicht zu finden war. Meinen Eltern fiel genauso ein Stein von Herzen wie mir, als ich sie um 2 Uhr morgens auf meinen Anruf wartend zuhause erreichte. Ich bin wirklich unheimlich dankbar, sowohl für meine Freunde als auch für die Bewahrung, es ist unglaublich, dass ich wieder einmal so unheimlich gut davon gekommen bin...
Schadensbilanz: Der Baum ist aus dem Lümmelbeschlag (Nichtsegler, bitte nicht lachen, das Ding heisst wirklich so und ist die Verbindung von Baum und Mast ;-)) herausgebrochen ist.
Da ich wirklich fernab jeglicher Zivilisation ankere bin ich eben 6 Meilen zur nächsten Ansiedlung getrampt, was dank der großen Anhalterfreundlichkeit hier sehr gut funktioniert. Die Teile für den Baum hab ich schon und hoffe, sobald das Tief durch ist weiter segeln zu können. Als ich einklariert habe (nach einem irren Fußmarsch über mehrere Meilen durch eine wahre Wüste (auf dem Rückweg hat mich glücklicherweise wieder jemand mitgenommen...) meinte die Beamtin "Offenbar hat hier jeder von dem schweren Sturm, der aus Norden kommen soll, gehört, nur ich nicht..." - also scheint tatsächlich was dran gewesen zu sein und ich bin gespannt, wie es sich entwickelt...
Zum Schluss möchte ich mich für die vielen Mails bedanken, die ich bekommen habe und hoffentlich bald alle beantworten kann!
euer Johannes