Sturm vorbei - weiter nach Savannah, Georgia | Teil 2

Aber langsam ließ sich das Ende nicht mehr länger hinauszögern: Denn die Maverick fällt langsam immer mehr auseinander. Seit einer Woche etwa macht sie Wasser. Ich habe das Leck erst vor 2 Tagen gefunden: Die Stopfbuchse (Gummidichtung, die die Welle zum Rumpf hin abdichtet) ist hinüber, jeden Tag kommen etwa 30 Liter Wasser an Bord. Würde ich einmal nicht auspumpen, könnte nach drei Tagen das Wasser über den Fußbodenbrettern stehen. Also muss die Maverick innerhalb der nächsten Woche aus dem Wasser, damit die Stopfbuchse von Aussen erneuert werden kann. Ausserdem braucht sie dringend einen neuen Unterwasseranstrich. Der letzte stammt noch aus Deutschland, in der Karibik war ich zu geizig und mittlerweile ist ihr Bart sehr viel länger als meiner nach den 31 Tagen auf dem Atlantik. Und das bremst natürlich sehr... Wenn ich das Boot nun für 150 Dollar aus dem Wasser heben lasse, dann sollte es zugleich das letzte Mal sein. Also fiel meine Entscheidung nun für Charleston. Dort gibt es ein Boatyard mit Kran und ganz wichtig - einen Broker, der die Maverick dann hoffentlich verkaufen kann. Denn auch das trug zu meiner Entscheidung bei - je weiter ich nach Norden komme, um so schlechter stehen die Chancen, dass die Maverick einen Käufer findet. Boote gehen im Norden sehr viel schlechter als im warmen Florida und jeder Segler von Miami bis nach Savannah hat mir bereits ins Gewissen geredet, das Boot gleich an Ort und Stelle zu lassen, anstatt noch weiter gen Norden zu fahren. Aber nach der langen Anreise wollte ich doch schon gerne noch etwas vom Land sehen! Und die USA sind vom Boot aus wirklich ein Erlebnis!

Deshalb wird mir diese Zeit hier an Bord der Maverick auch sehr, sehr fehlen... Wenn ich mich nun gerade hier umschaue, dann kann ich es kaum glauben, dass ich tatsächlich die letzten 8 Monate auf diesem kleinen Raum gelebt habe. Gut 2 Quadratmeter begehbare Fläche (in der Kajüte), würde ich sagen. Aber mir hat nie irgendetwas gefehlt. Nicht mal ein Kühlschrank! Mit einem Grinsen denke ich zurück an die vielen Leute, die ich unterwegs getroffen habe... Die Kommentare waren sehr unterschiedlich: Von "Wie kannst Du hier nur ohne Klimaanlage leben?" und "Du hast keinen Kühlschrank???" über "Es ist so klein!" und immer wieder "Ui, ist das gemütlich hier..." denke ich am Liebsten an St. Lucia zurück - "Dein Boot hat eine richtige Persönlichkeit". Und irgendwie ist es das. Dieser Name wird mich mein Leben lang begleiten. Maverick.

Ein "Maverick" ist jemand, der seinen eigenen Weg geht. "Maverick. - And that's what you are" ("Maverick - Das ist, was Du bist") hat mir eine Kellnerin in Daytona gesagt. Ein "Einzelgänger", aber nicht im negativen Sinne. Keiner, der nichts mit anderen Leuten zu tun haben will und deshalb alleine reist. Vielmehr jemand, der seinen eigenen Weg geht, um Abenteuer zu erleben, die Welt aus ganz unbeeinflussten Augen zu entdecken, sehr viel einfacher Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern kennen zu lernen. Und genau DAS habe ich erlebt... "DAS ist Leben" titelte die Yacht über meine Geschichte und ich kann wirklich dankbar sein, dass ich dies alles erleben durfte.

Diese Reise hat mich ganz schön verändert. Ein alter Mann, der selbst schon einmal um die Welt gesegelt war, sagte mir einmal "Do it! Du wirst die Schönheit der Welt entdecken, Abenteuer erleben und vor allem die Ruhe finden, Entscheidungen die dein ganzes Leben betreffen, ohne mit der Wimper zu zucken treffen zu können. Und vor allem wird es ein Erlebnis werden" (sinngemäß nach Peter Kittel) und genau so war es. Als ich losgefahren bin, war ich ein Schüler, ein Abiturient, der seit 13 Jahren nichts als Schulbänke gesehen hat. Nun habe ich in den letzten 8 Monaten die halbe Welt gesehen und eine Freiheit erlebt, wie ich sie wahrscheinlich nie wieder erleben werde. Daher freue ich mich nun irgendwie aus schon auf die Rückkehr nach Deutschland, auf den Einstieg ins Studium und ein neues Leben. Ein neues Abenteuer. Nur für die Maverick wird es keine Rückkehr geben.

Aber einen anderen Weg gibt es nicht. Ich hatte schon bei einigen Speditionen angefragt, ob sie die Maverick nicht als Deckslast mit hinüber nach Europa nehmen können, aber von den meisten ganz einfach keine Antwort erhalten. Nur die speziellen Yacht-Transport-Firmen haben sofort geantwortet - nur wollen die um die 7.000 Dollar haben - so viel, wie die Maverick vor 2 Jahren gekostet hat.

Also werden die nächsten 150 Meilen unsere letzten sein. Aber bevor ich hier die Segel streiche werden noch ein paar Wochen vergehen... Zuvor freue ich mich noch auf eine weitere, vielversprechende Woche in South Carolina und eine letzte Fahrt hinüber nach Charleston!

Schöne Grüße aus Savannah, euer Johannes

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