Innerhalb von 10 Minuten hatten sich allein durch den Wind etwa 1 bis 2 Meter hohe, aber unheimlich kurze Wellen auf der zuvor Spiegelglatten See gebildet, die uns immer wieder auf die Seite warfen, bis der Wind immer und immer mehr aufdrehte. Der Windgenerator begann, wie ein alter Doppeldecker beim abheben zu knattern, die Maverick legte sich auch ohne Segel beeindruckend weit auf die Seite, weil der Mast alleine genug Angriffsfläche bot und die Wellen krachten von der Seite mit voller Wucht gegen das Boot: "Schwimmwesten für alle!" Außerdem steckte ich mir schnell ein Messer in die Tasche, um im Notfall die Rettungsinsel vom Deck kappen zu können, falls wir aussteigen müssen.
Während des Unwetters blieben wir die ganze Zeit unter Deck, Georg und Irene mit den Händen an der Decke abgestützt ("das ist ja wie U-Bahn-Fahren!") und ich im Ölzeug im Niedergang, um in der stark verminderten Sicht durch den Regen und Wind hindurch nach Schiffen ausschau zu halten. Denn ein Radar habe ich nicht.
Zwischendurch hielt ich immer mal wieder den Windmesser hinaus über den Aufbau und las zwischen 8 und 9 Windstärken. Ganz schön viel, für die alte Maverick. Aber nach einer halben Stunde nahm der Wind und die Wellen wieder soweit ab, dass wir das Luk wieder aufmachen konnten und sich die Bewegungen der Maverick in den Wellen wieder einigermaßen normalisierten. Ein zweites Gewitter zog glücklicherweise vor uns ab und so erreichten wir morgens gegen halb 2 den Hafen von Miami, motorten an den Containerschiffterminals vorbei hinunter in den Intre-Coastal-Waterway und machten dort gegen 3 Uhr morgens in einem Yachthafen fest. Angekommen.
Wer als Yachtsegler in den USA ankommt, muss dort sofort als erstes eine Hotline anrufen, um die Schiffs- und Crewdaten zu melden und dann am nächsten Tag bei allen nötigen Behörden vorbeizugucken - sonst drohen hohe Geldstrafen. Also meldeten auch wir uns bei der Nummer und bekamen den Befehl, morgen um 7 Uhr dort vorstellig zu werden. Also noch kurz für eine Stunde in die Koje, schnell ein Kaffee getrunken und mit dem Taxi in den Port of Miami und zur Einwanderungsbehörde, in der mich ein unheimlich kleinkarierter Officer wieder einmal die üblichen Papiere ausfüllen ließ. Aber alles ging gut - wir bekamen unsere Stempel in den Pass und durften bleiben. Nur eine Cruising-Permit, um mit der in Deutschland registrierten Maverick die USA bereisen zu können, brauchte ich noch und sollte am Dienstag wiederkommen, da wegen dem Memorial-Day-Wochenende bis zum Montag die halbe Stadt brach liegt.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit dem Erkunden der Stadt und dem organisieren eines Mietwagens. Mir gibt man hier drüben zwar noch keinen Mietwagen, weil ich noch keine 21 bin (und genauso darf ich hier drüben auch keinen Alkohol trinken, nur alleine über den Atlantik segeln darf ich...), aber Georg und Irene wollten einen mieten, damit wir in den 2 verbleibenden, gemeinsamen Tagen noch ein wenig Florida erkunden können. Schließlich sind aus dem Wagen jedoch zwei Touristentouren geworden, die uns am Montag über 200 Meilen weit hinunter nach Key West und am Dienstag zum Alligator-gucken und Bootfahren in die Everglades geführt hat, die beide ein Erlebnis waren! Die USA haben wirklich ihren Reiz und ich habe mir mein ganzes Leben lang gewünscht, hier einmal hin zu kommen. Daher hat sich die Fahrt mit der Maverick schon jetzt gelohnt.
Auf dem Weg nach Key West machten wir Pause in einem kleinen, völlig unscheinbaren Coffeeshop, in dem ich eine unheimliche Überraschung erlebte: Denn IN dem Coffeeshop stand noch ein Segelboot auf der Veranda, das vor einigen Jahren den Atlantik überquert und einen Rekord gebrochen hat. Denn es war damals das weltweit kleinste Boot und nur 1,75 Meter lang. Der Amerikaner Hugo Vihlen überquerte mit seiner "April Fool" im Jahre 1968 den Atlantik und segelte von Casablanca, Marokko 84 Tage lang hinüber nach Florida - in einem Boot, in dem er nicht einmal liegen konnte.
Mittlerweile gab es noch mehr solche "Abenteurer", die dem Rekord des kleinsten Bootes nacheiferten und wenn ich mich recht entsinne, ist das kleinste Boot keinen Meter lang gewesen. Aber es war schon wirklich interessant, dieses Boot über das ich schon einiges gelesen hatte, nun in ECHT zu sehen. Beeindruckend, aber mir wäre das DOCH zu klein...